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Als die Schättere noch fuhr

Bericht aus der DZ vom 06. Dezember 2010

Was waren das noch für Zeiten, als man am Bahnhof Dillingen zwischen zwei Bahnstrecken auswählen konnte (nach Donauwörth oder Ulm, bzw. nach Neresheim und Aalen) und sogar von Gundelfingen nach Sontheim noch ein Bähnlein fuhr. Heute ist das Vergangenheit, die Donautalbahn nach jahrzehntelangen Verhandlungen längst elektrifiziert und die einzige Zugverbindung führt als West-Ost-Achse durch den Landkreis Dillingen.

Foto: von Neubeck

Das „Bähnle“, wie die Anrainer liebevoll sagen, fährt nach Jahrzehnten des Stillstands wieder durch das Egautal. Der Museumsbahnverein in Neresheim sorgt dafür, dass Eisenbahnromantik aufkommt. Im Bild die „Schättere“ vor der Kulisse des Neresheimer Klosters. Am 3. April 1906 war es endlich so weit: Die Härtsfeldbahn konnte vollendet werden. Beinahe fünf Jahre hatte es gedauert, bis nach dem württembergischen Teil Aalen- Neresheim-Ballmertshofen auch der bayerische Teil mit den Stationen Reistingen, Ziertheim, Wittislingen, Zöschlingsweiler, Lauingen und Hausen bis nach Dillingen eröffnet wurde.

Auch wenn das Bähnle nun schon seit bald vier Jahrzehnten nicht mehr fährt: Ohne den Anschluss in Dillingen und die damit einhergehende deutliche Steigerung des Personen- und Güterverkehrs hätte die Härtsfeldbahn wohl schon 1932 den letzten Schnaufer getan.

Erste Bemühungen um den bayerischen Teil der Härtsfeldbahn gab es bereits im September 1891. Damals nahm Dillingens Bürgermeister Kügle Kontakt mit Oberamtmann Lang in Neresheim auf und bat darum, als Anschlusspunkt zur Donautalbahn die Stadt Dillingen zu wählen. Fünf Jahre später gründete sich zunächst in Lauingen, dann auch in Dillingen ein Eisenbahnkomitee. Am 7. März 1897 kam es in Neresheim zu einer Versammlung mit über 400 Teilnehmern. Es wurde eine Resolution für eine Linie Aalen-Neresheim mit einer Fortsetzung ins Bayerische verfasst.

Die Strecke Aalen-Neresheim-Ballmertshofen wurde am 31. Oktober 1901 eröffnet. Erst zwei Jahre später, am 1. Dezember 1903, einigten sich Dillingen und Lauingen auf eine Streckenführung über Lauingen mit einem Staatsbahnanschluss in Dillingen.

Am 24. März 1906 erfolgte die Bahn-Abnahme und am 3. April wurde groß gefeiert. Sonderzüge mit den Honoratioren aus Dillingen und Aalen trafen sich in Neresheim. Güterverkehr und Personenverkehr entwickelten sich prächtig. Vor allem die bei Neresheim gelegenen Härtsfeldwerke sorgten mit Kalk-, Zement- und Kohletransporten für viel Tonnage. Aber auch von und nach Wittislingen gab es viel zu transportieren. Für hohes Passagieraufkommen sorgten vor allem die Sonderzüge, die zu Feierlichkeiten in Maria Medingen und zu Markttagen durchgeführt wurden.

Nachdem große Zugverspätungen aufgrund häufigen Rangierens zu lauten Klagen geführt hatten, wurden der Personen- und Güterverkehr getrennt.

Nach den Wirren der beiden Kriege und drohendem Stillstand kehrte erst nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 wieder Normalität bei der Härtsfeldbahn ein. Großer Beliebtheit erfreuten sich nun zahlreiche Sonderzüge. Doch 1972 war es dann endgültig so weit. Am 30. September 1972 endete die Betriebspflicht für den Personenverkehr. Der letzte Güterzug verkehrte am 30. November 1972.

Nur noch wenige Relikte der Härtsfeldbahn finden sich heute. In Bayern sind bis auf die Dillinger Stationsgebäude sämtliche Gebäude verschwunden. Der Bahndamm wurde teilweise zu einem Radweg umgestaltet. Dank des großen ehrenamtlichen Engagements des Härtsfeld-Museumsbahn-Vereins kann man heute wieder erleben, wie es einstmals war bei der Härtsfeldbahn. Vor über 20 Jahren wurde im alten Neresheimer Bahnhof das Härtsfeldbahn-Museum eröffnet. Seit über einem Jahrzehnt verkehren zwischen Neresheim und der Sägmühle im Egautal wieder an einigen Tagen im Jahr zwischen Mai und Oktober Dampf- und Triebwagenzüge ganz wie einst bei der Härtsfeldbahn.

Großer Bahnhof dann im September 2009 auf dem ehemaligen Gelände der Ziertheimer Härtsfeldbahn. Martin Stark ist bis aus Michigan (USA) angereist, um beim Klassentreffen der Dattenhausener Jahrgänge 1938 bis 1942 dabei zu sein. Höhepunkt ist die Enthüllung einer Informationstafel, die an den einstigen Härtsfeldbahnhof Ziertheim erinnert.

Martin Stark fuhr mit dem Bähnle früher zur Handelsschule nach Dillingen und später zur Lehrstelle bei Ködel und Böhm in Lauingen: „Meistens sind wir nach dem Ziertheimer Bahnhof auf den fahrenden Zug aufgesprungen.“ Solange die Dampflok fuhr, sei das einfach gewesen. „Als der Triebwagen die Schättere ablöste, wurde es schwieriger“, sagt Stark. Auch der Dattenhausener Hans Wagner, der heute in der Nähe von Urbino in Italien lebt, erinnert sich an das Prozedere. Wenn die Schättere bei Reistingen zu sehen war, habe man in Dattenhausen zu rennen angefangen.

Bürgermeister Josef Foitl schwelgt beim Gedanken an die Härtsfeldbahn, die 1972 stillgelegt wurde, ebenfalls in Erinnerungen: „Am Sonntagabend sind wir ins Kino nach Dillingen gefahren. Da mussten wir meistens die Vorführung früher verlassen, um den letzten Zug um 22.30 Uhr zu erreichen.“ Der gebürtige Dattenhausener Max Danner hat die Errichtung der Erinnerungstafel initiiert, weil kaum jemand mehr gewusst habe, wo der Ziertheimer Bahnhof stand. Jürgen Ranger vom Verein Härtsfeld-Museumsbahn sagt: „Die Härtsfeldbahn hatte sich überlebt, aber sie war einmal überlebensnotwendig.“

„Der Bahnhof ist Chefsache.“ Werner Kuhn, Vorsitzender des Härtsfeld-Museumsbahnvereins (HMB), kümmert sich federführend um die Sanierung des in Vereinseigentum befindlichen Dischinger Baudenkmals. Kuhn und die HMB-Mitglieder haben einiges an Zeit und Geld investiert, um den einstigen Bahnhof der Härtsfeldbahn in neuem Glanz erstehen zu lassen. Beim HMB ist man stolz auf das Baudenkmal aus dem Jahr 1901. „Es ist der einzige noch im Originalzustand erhaltene Bahnhof der Härtsfeldbahn. Deshalb engagieren wir uns hier so“, erläutert der Vereinsvorsitzende.

Donau-Zeitung vom 06. Dezember 2010